Empfehlungen sind im Marketing das ultimative Gipfelkreuz. Was im Mittelalter Marktschreier waren, machen heute »Influencer, wenn auch etwas subtiler und mit größerem Publikum. Je mehr eine Kaufabsicht mit dem Grundthema Vertrauen aufgeladen ist, desto wichtiger werden Empfehlungen.
Wahrscheinlich haben Sie sich auch zuerst in Ihrem Bekanntenkreis umgehört, als Sie eine neue Zahnärztin, einen guten Rechtsanwalt oder einen professionellen Coach gesucht haben? In fast jeder Firma sind die Mitarbeiter die erste Kontaktfläche zu Kunden und Geschäftspartnern. Damit werden sie automatisch zu ganz wichtigen Markenbotschaftern des Unternehmens. Die damit einhergehende Frage: Empfehlen die Mitarbeiter das eigene Unternehmen? Sind sie stolz hier zu arbeiten, oder haben sie innerlich bereits gekündigt?
Werte!?: Der weiche Faktor Unternehmenskultur schlägt sich auch hier ganz konkret in harten Zahlen nieder. Kotter & Heskett haben bereits 1992 empirisch nachgewiesen, dass Unternehmen wirtschaftlich besonders erfolgreich sind, wenn es eine hohe Übereinstimmung zwischen den Werten des Unternehmens und den Werten der Mitarbeiter gibt.
Es lohnt sich also, den Faktor Unternehmenskultur und seine Auswirkungen etwas genauer anzuschauen. Eine solche »Sehhilfe« stellt das Modell der drei Ebenen des emeritierten MIT-Professors Edgar Schein dar. Unternehmenskultur ist dabei vergleichbar mit Seerosen in einem Teich: Ähnlich wie die oben schwimmenden Blüten gibt es in jedem Unternehmen gut wahrnehmbare Artefakte. Das sind künstlich geschaffene Objekte und Verhaltensweisen, wie etwa die Bürogestaltung (Großraum oder Einzelzellen), vorherrschende Bekleidungsvorschriften (Nadelstreif oder Jeans), Umgangsformen (Duzen oder Siezen) etc. Damit ist auch viel Symbolik verbunden, die jedoch meist nur im Kontext der tiefen liegenden Schichten erklärbar wird.
Tiefer im Wasser und nur mehr ansatzweise durchscheinend liegt die Ebene der propagierten Werte und Normen. Diese (meist) ungeschriebenen Verhaltensrichtlinien regeln mit ihren Ge- & Verboten die Organisation quasi wie mit Verkehrsschildern. Sie werden von den Organisationsmitgliedern mal mehr, mal weniger geteilt und sie können reflektiert werden. Am leichtesten erkennbar werden sie, wenn jemand dagegen verstößt (»Das macht man bei uns nicht so!«). Noch eine Ebene tiefer, quasi die Wurzeln im Substrat des Seebodens, liegen die als selbstverständlich vorausgesetzten Grundannahmen über die Welt an sich. Diese unbewussten Überzeugungen, die normalerweise gar nicht bewusst reflektiert werden (können), sind vergleichbar mit einem Autopiloten. Dieser versucht selbstständig immer auf Kurs zu bleiben. Will man irgendwann davon abweichen, kostet dies sehr viel Kraft, da diese grundlegenden gemeinsamen Orientierungs- und Vorstellungsmuster wie ein dickes Gummiband wirken. Das ist letztlich die Quelle der Werte für das Handeln der Kulturträger in der Organisation.
Verkürzt: Der eingestellte »Autopilot« einer Caritas wird sich fundamental vom »Autopiloten« eines Hedgefonds unterscheiden. Alle darüber liegenden Schichten werden sich aber jeweils danach ganz in diesem Sinne und wie von selbst ausrichten. Wenn es kein übereinstimmendes Wertebild zwischen Menschen und ihrer Organisation gibt, wird es kein Brennen, sondern immer nur ein Flackern geben.
Kommentar im Report(+)PLUS 03/2019