Alles Coaching, oder was?

Warum nicht überall Coaching drin ist, wo Coaching drauf steht und was professionelles

Coaching Führungskräften bringen kann.

Alles Coaching, oder was?“ Zugegeben, dieser Titel klingt nicht von ungefähr wie der Werbespruch einer großen deutschen Molkerei. Coaching ist zu einem Allerweltsbegriff geworden, dem die Aussagekraft und eigentliche professionelle Bedeutung scheinbar abhanden gekommen ist. Die Bezeichnung „Coaching“ wird immer wieder als „sexy“ klingende Hülle verwendet, wenn es eigentlich nur darum geht, ein Produkt oder eine Dienstleistung besser verkaufen zu können. Darüber hinaus wird der Begriff „Coaching“ oft auch fälschlicherweise für trainingsähnliche Situationen verwendet. Beim Training geht es jedoch darum, dass eine wissende Person einer anderen - weniger wissenden - Person etwas beibringt. Beides hat mit professionellem Coaching nichts zu tun!

 

Während der „Verpackungstrick“ selbsterklärend ist, ist es beim Training schon weniger offensichtlich: Bei Letzterem gibt es immer ein Wissens- bzw. Fähigkeitsgefälle. Wenn Training erfolgreich ist, dann sind Wissen bzw. Fähigkeiten von einer kundigen Person zu einer ursprünglich unkundigen Person geflossen. Quasi von oben nach unten. Der Trainer bestimmt den Inhalt des Trainings, die Sequenz der Ereignisse und definiert den Grad der Zielerreichung. Es findet zwischen Trainer und Trainiertem keine Begegnung auf gleicher Ebene statt.

 

Professionelles Coaching ist demgegenüber anders: Es ist ein symmetrischer Prozess, in dem sich ein Coach und ein Coachee (= Klient) immer auf Augenhöhe begegnen, auch wenn es dabei eine ganz klare Rollenverteilung gibt. Der Coach ist dabei der Experte für den Prozess, während der Coachee der Experte auf der inhaltlichen Ebene ist und auch zu jeder Zeit bleibt. D.h. der Coachee bestimmt selbst, wann ein passendes Ziel für ihn erreicht ist und er erarbeitet selbst seine eigene, ganz individuelle Lösung dorthin. Die Aufgabe des Coachs besteht darin, ihn dabei fachkundig zu begleiten und ihn auf diesem Findungsprozess aktiv zu unterstützen. Der Coach schaltet vor allem durch zielgerichtete Fragen quasi die Suchscheinwerfer ein, die dem Coachee den Weg zu seinem Ziel ausleuchten. Dabei geht es darum, schrittweise und lösungsfokussiert den Klienten vom belastenden „weg von“ (dem Problem) zu einem „hin zu“ (was anstelle des Problems sein soll, dem Ziel) zu begleiten.

 

Diese professionelle Hilfestellung ist für den Klienten, der oftmals in seinem Problem völlig verstrickt ist, keinesfalls zu unterschätzen. In diesem Beratungsprozess auf Augenhöhe ist der Coach Experte dafür, Zusammenhänge in ein neues, manchmal auch ungewöhnliches, Licht zu rücken und die Klienten hin zu veränderten Sichtweisen zu führen. Dies kann in einer Erweiterung der Wahrnehmung liegen, z. B. Umstände, die ebenfalls vorhanden sind, die der Klient aber einfach selbst nicht (mehr) sehen kann. Die Hilfestellung kann jedoch auch im Angebot einer anderen, hilfreicheren Interpretation des Wahrgenommenen bestehen oder letztlich auch in einer anderen Beurteilungs- und Bewertungsmöglichkeit. All diese Aspekte dienen dazu, beim Klienten neue Lösungskompetenz für das erörterte Thema zu schaffen. »When you change the way you look at things the things you look at change« heißt es in einem amerikanischen Sprichwort.

 

Die Essenz von Coaching liegt immer darin, dem Klienten einen autonomen Perspektivenwechsel zu ermöglichen. Autonom deshalb, weil nur der Coachee, nicht der Coach, entscheidet, welche der erarbeiteten Sichtweisen nun für ihn die passende Lösung in der problematischen Themenstellung darstellt und wie er damit zukünftig umgehen wird.

 

Das unterscheidet unter anderem auch Coaching und Therapie. Die Kernfrage in einem therapeutischen Setting ist eher in die Vergangenheit gerichtet und lautet verkürzt: „Was aus Deiner Vergangenheit behindert Dich, heute so zu sein, wie Du sein möchtest?“ Coaching blickt demgegenüber nur so viel in die Vergangenheit wie gerade nötig, aber schaut gleichzeitig so viel wie nur irgendwie möglich in eine Zukunft, in der das Problem gelöst wäre. Nicht die Problemanalyse steht also im Mittelpunkt, sondern die Definition dessen, was eine gute Zukunft darstellen würde und welche konkreten Beiträge dazu von wem nötig wären. Abgesehen davon, dass Therapie tendenziell eher im pathologischen Bereich beheimatet ist, braucht es meist auch eine Vielzahl von einzelnen Sitzungen, um überhaupt Wirksamkeit entfalten zu können. Ein guter Coach wird demgegenüber bestrebt sein, dass jedes einzelne Gespräch eine in sich geschlossene Einheit sein kann, die nicht notwendigerweise fortgesetzt werden muss (obwohl natürlich eine zeitlich gestaffelte gemeinsame Reflexion über die konkreten Schritte Richtung Ziel bzw. die dabei aufgetretenen Schwierigkeiten hilfreich sein kann). Es ist diese Zielorientiertheit, die Coaching insbesondere für Führungskräfte wertvoll macht.

Artikel in ErLesen Business Edition 09/2016

 

 

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Alles Coaching, oder was? Warum nicht überall Coaching drin ist wo Coaching drauf steht
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