Intuition und Organisation – Wie Wasser und Öl?

»Es ist alles sehr kompliziert«, sagte in kolportierter Weise ein österreichischer Bundeskanzler vor 30 Jahren. Politisch ist ihm das nicht gut bekommen, auch wenn er im Prinzip die Thematik einfach nur ehrlich angesprochen hat.

Zwischenzeitlich ist die Welt noch schneller und vielschichtiger geworden. Sie war jedoch nie »kompliziert« , sondern immer »komplex« . Das ist ein elementarer Unterschied. Eine Uhr mit Datums-, Monats- und Mondphasenanzeige ist kompliziert: Mit entsprechendem Fachwissen und sorgfältiger Analyse kann sie nach einem klaren Ursache-Wirkung-Prinzip zielgerichtet konstruiert, repariert und auch repliziert werden.

 

Dem gegenüber sind komplexe Systeme weder vollständig durchschaubar, noch sind sie von außen steuerbar. Beispiele dafür sind die Politik, eine globalisierte Wirtschaft oder zwischenmenschliche Beziehungen. Komplexität ist gekennzeichnet durch dauernden und rapiden Wechsel einer Vielzahl von

relevanten, untereinander verbundenen Faktoren, die auch unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten zulassen und somit zu einer permanenten Ambiguität führen. Weg A könnte richtig sein, oder Weg B oder keiner von beiden oder beide gleichzeitig. Unternehmen können mit ständiger Unsicherheit aber nicht (über)leben, deshalb müssen immer Entscheidungen getroffen werden. Entscheidungen reduzieren per se Komplexität, weil sie neue Referenzpunkte setzen, auf die

die Organisation und die Mitarbeiter in ihrem weiteren Tun aufsetzen können. Entscheiden ist damit eine Kernfunktion von Management. Dummerweise kann man oft erst ex-post durch Zeitablauf feststellen, ob eine Entscheidung wirklich die Beste war.

 

Was also tun, wenn man eine Entscheidung treffen muss, obwohl es zu viele relevante Faktoren gibt, die sich teilweise widersprechen oder deren Verlässlichkeit in Zweifel steht? Oder auch das Gegenteil davon, wenn man eigentlich viel zu wenige Entscheidungsgrundlagen an der Hand hat? Eine Antwort kann das bewusste Zulassen von Intuition in Unternehmen sein.

 

Intuition bedeutet nicht willkürliches Entscheiden und ist auch nicht esoterisch. Es handelt sich dabei

vielmehr um verinnerlichtes Wissen, das im Unbewussten gespeichert ist und bei Bedarf schnell ins Bewusstsein kommt. Intuitive Einsichten »sind einfach da«, ohne verstandesmäßige Kontrolle. Tatsächlich treffen wir alle tagtäglich eine Vielzahl von intuitiven Entscheidungen, die wir dann mit rationalen Erklärungen »verkaufen« , weil es in unserem kausalen Weltbild nicht zulässig ist, dass wir so

»irrational« handeln. Diese unbewusste Entscheidungsfindung greift wie bei einer Faustregel auf wenige, zentrale Informationen zu, anstatt alle Details penibel durchzukauen (Stichwort Heuristik statt Algorithmus). Das funktioniert besonders gut, wenn wir wissen, was wir NICHT wollen.

 

Intuitive Entscheidungen sind damit nicht nur viel schneller und Ressourcen schonender, sondern erweisen sich oft auch als besser. Untersuchungen am Max Planck-Institut belegen eindrucksvoll die Überlegenheit intuitiver Entscheidungen unter Informationsmangel oder Datenflut. Auch wenn das mit sämtlichen Betriebswirtschaftskursen kaum kompatibel erscheint, ist es dennoch kein Widerspruch zu

gutem Management. Intuitive Entscheidungen basieren nämlich auf einem notwendigen breiten Erfahrungshintergrund im Entscheidungsfeld.

 

Intuition kann nur so gut sein wie die (Vor)Erfahrungen, die eine Person/ eine Gruppe zu einem bestimmten Thema bereits gemacht hat. Vielleicht liegt gerade hier die Erklärung, warum viele eigentümergeführte Familienunternehmen überdurchschnittlich erfolgreich sind? Sie schaffen es besser Kopf und Bauch gleichermaßen einzusetzen. Das heißt dann im Ergebnis »unternehmerisches Gespür« . Chemisch würde man dazu Emulsion sagen – ein feines Gemisch der beiden normalerweise nicht mischbaren Flüssigkeiten Wasser und Öl mit neuen Eigenschaften, die über jene der Ausgangsstoffe hinausgehen.

  

Kommentar im Rahmen von CCC imReport(+)PLUS 08/2014

 

 

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Intuition und Organisation - zwei wie Wasser und Öl?
Kommentar im Report(+)Plus 08/2014
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